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Karneval der Antizionist_innen

Chris hat mit seinem Artikel »Karneval des Unsinns« eine absichtsvolle Pöbelei gegen das Fusion-Festival vorgelegt. Lukas schickt eine Ergänzung hinterher. Ein paar Zeilen zum Free-Olive-Tent und den Antizionismus im Ferienkommunismus sollen noch nachgetragen werden.

Bedauerlicherweise war die diesjährige Fusion, die Chris als »Parallelgesellschaft des Unsinns« charakterisierte, noch von weiteren äußerst – gelinde gesagt – unschönen Phänomenen geprägt: Auch die dezidiert antizionistische Ausrichtung des Festivals offenbarte den emanzipationsfeindlichen Kern des »Ferienkommunismus«. Schon an der Einfahrt zum Gelände begrüßte die Besucher_innen dieses Jahr ein riesiges Transparent mit dem Aufdruck »Free Gaza«. Gaza befreien? Von der Hamas? Weit gefehlt.

»Ein Kollektiv Kulturschaffender mit Nahostbezug stellt […] eine Bewegung vor, welche Kunst als Mittel des Widerstands wählt, um sich gegen die menschenrechtswidrige Besatzung Palästinas auszusprechen« – so präsentierte die offizielle Publikation der Fusion das Bestreben der »Plattform des kreativen Austauschs«: Israel wird demnach nicht anerkannt und in Rosenbergscher Tradition als Besatzungsmacht begriffen. Trotz der gewohnten Sparten-Präsenz von Free Mumia Abu-Jamal-Aktivist‑ und AKW-Gegner_innen, die sich mittels Ständen, Fähnchen und T-Shirts am politisierten Ensemble beteiligten, bewarb der offizielle Festival Guide ausschließlich das Projekt »Kultur und Widerstand in Palästina« mit dem »Free Olive Tent« und markierte einzig dieses Zelt auf den ausgegebenen Übersichtskarten.

So vermeintlich legitim und friedlich sich das Anliegen der stets auf das Menschen‑ und »Völkerrecht« rekurrierenden Antizionist_innen gerieren vermag, so muss dieses immer wieder als Farce zurückgewiesen werden: Die Veranstaltung »Free Gaza – Mensch bleiben«, die im separaten »Free Olive Tent«– Programm beworben wurde, verhandelte die Geschichte der Blockadebrecher der »Free Gaza Bewegung« und die Hoffnung auf die diesjährige »Freedom Flotilla II«; der Referent selbst war Teilnehmer des »Gaza Freedom March« 2009 und ist demnach Experte auf diesem Gebiet. Im Programm der olivgrünen »Crew« wurde die Hamas, von der sich die Bewohner_innen Gazas am schnellsten befreien sollten, – welch‘ Überraschung – nicht genannt und auch im Fusion-Guide findet Antisemitismus keinerlei Erwähnung. Die Musiker Zappo & Poeks – das »Fiese Matenten Soundsystem« – witzeln in ihrer Eigenbeschreibung, dass sie gerade noch »ein paar Hip Hop Zeilen der kulturellen Intifada durch die Checkpoints geschmuggelt« hätten. Unter den empfohlenen Links des »Olive«-Programms findet sich die crème de la crème der antisemitischen Literatur: Neben »The Electronic Initifada« und »Who profits from the occupation« etwa auch der Link zum Blog »Zionismus und Raumplanung« auf dem es etwa heißt: »Heute wiederhole ich mit Nachdruck den Ausdruck ‚Judennazis‘! Die Besetzungspolitik ist eine nazistische Politik!«

Für ähnlich erschreckende Erkenntnisse sorgte die Beilage des Fusion-Guides mit dem Titel »Krise, Widerstand, Aufstand«, die von der »Antifaschistischen Linken Berlin« (ALB) herausgegeben wurde: »Banker, Topmodels und andere KrisengewinnlernInnen« sowie »Manager-MutantInnen«, die chronisch zu »Cocktailpartys in ihren schicken Eigentums – oder Loftwohnungen« laden würden, seien verantwortlich für die Gentrifizierung der Städte, heißt es dort. Überraschen tut das nicht: Wer im Jahre 2010 das (Teil‑)Verbot der »Volksfront zur Befreiung Palästinas« (PFLP) bedauert, dem_der wird struktureller Antisemitismus nur als Gespenst bekannt sein. Auch Christine Buchholz, Bundestagsabgeordnete der Linken, durfte mit einem Artikel partizipieren; in den vergangenen Jahren machte sich die friedenspolitische Sprecherin der Fraktion unter anderem durch ihr Engagement für Hisbollah-Fahnen einen Namen, deren Verbot sie als »Stigmatisierung der palästinensischen und arabischen Bevölkerung« verurteilte. Kurz nach dem Festival bedauerte sie auf ihrer Homepage den Umstand, dass sie der »Gaza-Friedensflotte« aufgrund »persönlicher Gründe« nicht beiwohnen kann, betonte aber, dass sie das »Anliegen aus vollem Herzen« unterstützt und wünscht »viel Glück und Erfolg« – was auch immer sie darunter verstehen mag. Die Beilage kommt wie so oft nicht ohne das gesamte Brimborium linken Merchandisings aus, auch die Tageszeitung des Ahmadinedschad‑Übersetzers Pirker, des Kreuzfahrers Wolter und der Tierfreundin Witt-Stahl, die »Junge Welt«, wird beworben. Dass selbige Antifaschist_innen, die dieses Pamphlet zu verantworten haben, gewohnt radikal und daher vermummt auf ihren Klappstühlen im Backstage-Camping saßen und »Viva Palästina« gröhlten, sei hier nur anekdotisch angefügt. Der politische Ausdruck des Festivals lässt sich spätestens seit diesem Jahr nur noch als antiemanzipatorisch bezeichnen – derartige Positionen stehen schließlich jeder »Utopie und Vision von einer besseren Welt« entgegen.

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